Angehörige von entführten Israelis mit deutschem Pass trafen sich im Bayerischen Landtag mit Abgeordneten und Landtagspräsidentin Ilse Aigner
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Angehörige von entführten Israelis mit deutschem Pass trafen sich im Bayerischen Landtag mit Abgeordneten und Landtagspräsidentin Ilse Aigner

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"Welt soll hinschauen": Angehörige von Hamas-Geiseln in München

Angehörige der von Hamas-Terroristen verschleppten Israelis sind nach München gekommen, um auf das Schicksal ihrer Verwandten aufmerksam zu machen. Am Nachmittag waren die Angehörigen im Landtag zu Gast und baten die Politik um Unterstützung.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

"Bring them home now!" - Mit diesem Appell wenden sich die Angehörigen der Hamas-Geiseln an die Menschen in Bayern. Sie sind seit Sonntag in München zu Gast, um auf das Schicksal ihrer Verwandten aufmerksam zu machen, die die Hamas am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt hat. Unter Tränen berichten sie in einer Pressekonferenz am Montagnachmittag vom letzten Kontakt mit ihrer Schwester, ihrem Bruder, Cousin oder ihren Eltern. Anschließend wurde die Gruppe von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) und etlichen Fraktionsspitzen im Maximilianeum zu einem Gespräch empfangen.

Angehörige: "Deutschland tut viel, aber noch nicht genug"

37 Tage nach dem Terrorangriff der Hamas wollen sie das Schicksal ihrer Liebsten im Bewusstsein erhalten, sagen die Angehörigen der deutschstämmigen Israelis. "Wir haben den Kontakt zu elf Familienangehörigen verloren. Sie lebten im Kibbutz Be'eri in zwei verschiedenen Häusern. Zwei von ihnen wurden ermordet an dem Samstag, (...) sieben werden aktuell als Geiseln im Gazastreifen festgehalten", sagt Shira Havron.

Auch Ofir Weinberg hat deutsche Vorfahren. Ihre Tante und ihr Onkel wurden im Kibbutz Be'eri ermordet, ihr Cousin Itai in den Gazastreifen verschleppt. Die 24-Jährige hat zwar das Gefühl, dass Deutschland viel unternehme, um das Leben der Geiseln zu retten - das sei aber noch nicht genug. "Ich bin gekommen, um mit Politikern zu sprechen, um über kreative neue Wege nachzudenken, wie wir sie nach Hause zurückbringen können - um mehr Druck auf die beteiligten Parteien auszuüben", sagt sie.

Im Video: Am 7. Oktober wurde der Cousin von Na'ama Weinberg von der Hamas entführt

Na'ama Weinberg, Cousine eines von der Hamas Entführten, im Gespräch mit Julian von Löwis.
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Angehörige der von Hamas-Terroristen verschleppten Israelis sind in München, um auf das Schicksal ihrer Verwandten aufmerksam zu machen.

Angehörige zu Gast im Landtag - AfD nicht eingeladen

Rund 1.200 Menschen wurden am 7. Oktober in Israel ermordet. Nach Angaben der Familien sind unter den Entführten etwa 20 Menschen, die neben dem israelischen auch einen deutschen Pass haben. Seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober gebe es von ihnen kein Lebenszeichen. Die Angehörigen sind aber überzeugt, dass sie noch gerettet werden können.

Auch deshalb trafen sie sich am Montagnachmittag mit Mitgliedern des Bayerischen Landtags. Neben Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) waren auch die Fraktionsvorsitzenden von CSU, Freien Wählern, Grünen und SPD anwesend. Die AfD wurde nach Informationen des Landtags von den Angehörigen der Geiseln nicht eingeladen. Vermittelt hatte den Besuch in München die Politikberaterin Melody Sucharewicz, die in der Landeshauptstadt geboren ist.

Hoffnung, dass die Geiseln wieder nach Hause kommen

Bereits am Sonntag haben sich die Angehörigen in der Israelitischen Kultusgemeinde in München getroffen - auch Familienmitglieder der vor 37 Tagen entführten Deutschen Gali und Ziv Berman. Eindrücklich beschreiben die Angehörigen am Sonntag vor knapp 100 Mitgliedern und Freunden der jüdischen Gemeinde, welche Botschaft sie in der bayerischen Landeshauptstadt aussenden möchten.

So auch die Deutsch-Israelin Roni Romann. Ihre Großmutter stammte aus Fürth, floh vor den Nazis nach Israel. Wenn Roni Romann heute erzählt, wie ihre Schwester Yarden am 7. Oktober in die Hände der Hamas-Terroristen fiel, bebt ihr Stimme nicht. Sie will stark sein, sagt sie im Interview: "Meine Schwester hat sich entschieden, das Leben ihrer kleinen Tochter zu retten. Sie hat sie in die Arme ihres Partners gegeben, dem es gelang, sich zu verstecken, zu entkommen. Sie haben sie mitgenommen." Sie hofft, dass sie bald nach Hause kommt, "vielleicht sogar heute Abend oder heute Nacht!"

Knobloch: Welt soll genau hinschauen

Niemand könne wissen, was die Familienangehörigen durchmachen würden, so die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern Charlotte Knobloch. Mit der Einladung der Familienangehörigen will sie ein Zeichen setzen: Die Welt solle genau hinschauen. Dass die Angehörigen hier sprechen, hält sie für essenziell, "weil ich glaube - von der Menschlichkeit her, dass es für sie sehr wichtig ist, dass die Welt es erfährt, was am 7. Oktober passiert ist. Ich gehe davon aus, dass es ein Wunsch der Familienangehörigen ist, dass die Welt im direkten Kontakt eine direkte Aussage bekommt", so Knobloch.

Aktionen Familienangehöriger außerhalb Israels wichtig

Die deutsch-israelische Politikberaterin Melody Sucharewicz begleitet die Angehörigen seit Wochen - sowohl in Israel als auch auf Reisen wie dieser nach Deutschland. Es sei eine wirklich schwierige Frage, was die Hamas dazu bewegen könnte, die Geiseln endlich freizulassen, so Sucharewicz: "Alle, mit denen wir gesprochen haben - vom Bundespräsidenten bis hin zur Außenministerin, der Bundestagspräsidentin, dem Kanzler - alle sind zu 100 Prozent motiviert."

Allerdings sei das Bewusstsein da, dass Solidarität nicht reiche. Zusätzlich brauche es Aktionen und es gehe letztlich um die Frage, "welche Rolle Deutschland wirklich spielen kann durch seine Beziehungen zu Katar, in welcher Form Druck ausgeübt werden kann, was die richtige Strategie ist. Aber hier bin ich froh zu wissen, dass Deutschland im engen Austausch sowohl mit Israel als auch mit der USA ist." sagt Sucharewicz.

"'Nie wieder' ist heute"

Der Deutsch-Israeli Chanan Cohen, der für seine verschleppte, schwer kranke Schwester Margalit Moses kämpft, appelliert: "Wir hoffen, dass die Geschichten und die Bilder jeden Deutschen begleiten und dass er sich fragt, ob seine Schwester dort ist. Wie hätte er reagiert?" Er sei nicht mehr der Jüngste. Trotzdem sei er hier in München, um laut zu sagen: "'Nie wieder' ist heute", so Chanan Cohen.

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