Landesinventurleiter Philipp Maldoner blickt mit dem Fernglas in die Baumkrone. Forstwirtschaftsstudent Moritz Mitterer trägt die Beobachtungen in ein Datenblatt ein.
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Landesinventurleiter Philipp Maldoner und Forstwirtschaftsstudent Moritz Mitterer bei der Inventur im Wald.

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Allgäu: Wie der Klimawandel dem Wald zu schaffen macht

Dem Wald im Allgäu geht es im Vergleich zu Nordbayern noch sehr gut. Aber auch hier macht sich der Klimawandel bemerkbar, vor allem die Trockenheit. Bei der Waldzustandserhebung haben Fachleute jetzt wieder Bäume untersucht – 17.000 in ganz Bayern.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Der gelbe Metallsucher in der Hand von Moritz Mitterer surrt leise. Dann jault er plötzlich auf und das Surren geht in ein grelles Piepen über. Hier im Waldboden am Kienberg bei Schwangau liegt sie versteckt: Die Metallstange, die Punkt 188 markiert. 450 solcher Inventurpunkte gibt es in ganz Bayern. Bei der Waldzustandserhebung schauen die Forstfachleute jeden Sommer nach, wie es den Bäumen dort geht.

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Angekommen am Punkt 188 zückt Moritz Mitterer den Plan, auf dem die relevanten Bäume eingezeichnet sind. Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft holt sein Fernglas raus, sucht nach Schäden am Stamm einer Fichte und begutachtet dann die Krone. "Hier sehe ich teilweise schon etwas Feinreisig im Baum – also verdorrte Ästchen, an denen keine Nadeln mehr hängen", sagt der Forstwirtschaftsstudent. "Ich würde sagen, dass ich hier so etwa auf 30 bis 35 Prozent Nadel-Blatt-Verlust komme."

Gesundheitscheck für 17.000 Bäume in Bayern

Verlieren die Bäume Blätter oder Nadeln? Wie entwickelt sich der Stammumfang, wie das Wachstum? Gibt es Hinweise auf Schädlings- oder Pilzbefall oder Schäden durch Hagel, Sturm und Trockenheit? 38 Bäume pro Inventurpunkt untersuchen Fachleute im Auftrag der Landesanstalt jedes Jahr – insgesamt 17.000 in Bayern. "Wir können dann ganz Bayern miteinander vergleichen", sagt Philipp Maldoner, Landesinventurleiter bei der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft mit Sitz in Freising. "Wo sind Schwerpunkte der Schäden? Wo schaut's besonders gut aus? Und im Nachgang davon können wir dann in die Ursachenforschung gehen."

In den 1980er-Jahren zu Zeiten des Waldsterbens eingeführt, ging es bei der Waldzustandserhebung anfangs vor allem um Schäden durch sauren Regen, durch die Schadstoffbelastung aus Schwerindustrie und Verkehr. Nach der Einführung von Entschwefelungsanlagen und Katalysatoren habe sich der Zustand der Wälder dann deutlich verbessert, sagt der Landesinventurleiter. Inzwischen macht den Forstleuten aber etwas anderes Sorgen: der Klimawandel.

Klimawandel zeigt sich deutlich im Wald

"Seit wir den Klimawandel an den Temperaturen festmachen können, lesen wir das auch ganz deutlich in den Benadelungs- und Belaubungszuständen der Bäume ab", sagt Philipp Maldoner. "Die Trockenheit, der mangelnde Regen, die Verschiebung des Niederschlags in die Wintermonate hinein, das Ausbleiben der Niederschläge im Sommer – all das lesen wir deutlich in den Kronen ab."

Besonders in Nordbayern ist die Trockenheit ein großes Problem. Im Allgäu ist der Zustand der Wälder wegen der deutlich höheren Niederschläge, vor allem im Süden an den Bergen, noch sehr gut, sagt Stephan Kleiner, Forstdirektor am Forstamt in Kaufbeuren. Dennoch: Der Klimawandel – gerade was die in den letzten Jahren zunehmenden längeren Trockenphasen angeht – ist auch hier deutlich spürbar.

Auch im Allgäu wird die Trockenheit zum Problem

"Im nördlichen Bereich des Allgäus merken wir das ganz deutlich: Dort fällt uns die Fichte nach und nach aus", sagt Forstdirektor Kleiner. Im südlichen Allgäu werde die weit verbreitete Baumart wegen der höheren Niederschläge noch eine Zukunft haben. Aber an trockeneren Standorten, gerade an exponierten Südhängen, sei zu beobachten, dass die Bäume bei hohen Temperaturen und langen Trockenphasen ihre Nadeln und Blätter frühzeitig im Jahr abwerfen. "Das gab es früher nicht. Das ist ein deutliches Signal, dass irgendwas im Gange ist", sagt Kleiner.

Auch die Trockenheit und Hitze in diesem Frühsommer – ausgerechnet genau zur wichtigen Wachstumsphase – werden für den Allgäuer Wald Folgen haben, glaubt der Forstdirektor: Die Bäume seien weniger gewachsen und könnten das jetzt wohl auch nicht mehr aufholen. "Das wird Auswirkungen haben", sagt Kleiner. "Gott sei Dank haben wir jetzt in den Sommermonaten aber ausreichend Niederschlag gehabt."

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Forstdirektor: "Wir müssen jetzt reagieren"

Seit 40 Jahren untersucht die Bayerische Forstverwaltung mit der Waldzustandserhebung jährlich den Gesundheitszustand der bayerischen Wälder. Das Ergebnis wird im jeweiligen Waldzustandsbericht im Herbst veröffentlicht. Die Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, sind in den Berichten ablesbar.

Aber auch die Erfahrungen und Beobachtungen aus der Praxis zeigen: Der Wald ist im Wandel. "Dass mit Stürmen und mit dem Borkenkäfer ganze Wälder ausfallen, nimmt zu", sagt der Kaufbeurer Forstdirektor Kleiner. "Darauf müssen wir klug reagieren und müssen vor allem jetzt reagieren und mehr Mischbaumarten einbringen." Mit Blick auf die Zukunft der Wälder habe er schon eine gewisse Sorge: "Aber ich glaube auch, dass es noch machbar ist und dass wir auch in Zukunft hier Wälder haben werden."

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